Eine ausgekugelte Schulter – was kann dabei eigentlich passieren? Auf die leichte Schulter nehmen sollte man eine solche Verletzung sicherlich nicht. Doch um eine Ursache bzw. Handlungsempfehlung zu finden, muss man immer den Einzelfall betrachten. Hier erfährst du, wie es zu einer ausgekugelten Schulter kommt, welche Risiken und Komplikationen es geben kann und wie sie behandelt wird.
Wie entsteht eine Schulterluxation?
Eine falsche Bewegung beim Sport oder im Alltag und schon ist es geschehen: Ein stechender Schmerz durchzieht die Schulterpartie, an Bewegung ist erst einmal nicht mehr zu denken. Was hier binnen weniger Sekunden passierte, ist einfach erklärt: Der Kontakt zwischen zwei Gelenkflächen ging kurzzeitig verloren. Das so genannte Auskugeln des Schultergelenks – von Medizinern auch als Schulterluxation bezeichnet - ist keinesfalls eine Alterserscheinung oder ein Indiz für eine Überbelastung. Eine ausgerenkte Schulter kann jeden treffen – und das meist aus heiterem Himmel. Kaum verwunderlich also, dass eine Luxation an der Schulter die Rangliste der häufigsten Verrenkungen eines Gelenks am menschlichen Körper anführt.
Grundsätzlich kann ein „Auskugeln“ bei allen Gelenken auftreten, bedingt durch seinen anatomischen Aufbau ist das Schultergelenk jedoch besonders anfällig für eine Luxation. Dem relativ großen, kugelförmigen Gelenkkopf des Oberarmknochens steht eine relativ kleine Gelenkpfanne am Schulterblatt mit einen vergleichsweise lockeren Kapsel-Bandapparat gegenüber. Eine Eigenschaft, die für den Bewegungsapparat sehr wichtig ist und die unseren Armen sowie Händen, die immerhin Hauptwerkzeug im Alltag sind, maximale Bewegungsfreiheit gewährt. Die meisten anderen Gelenke sind durch straffe Bänder, Gelenkkapseln oder größere Gelenkpfannen in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt.
Getreu dem Motto „Des einen Freud ist des anderen Leid“ zieht die durch äußerste Flexibilität geprägte Konstruktion unseres Schulterapparates allerdings auch ihre Nachteile mit sich. Stell dir einmal einen Handballspieler vor, der zum Wurf auf das Tor ansetzt. Gerade in dieser kritischen Sekunde – der Arm ist nach hinten oben erhoben – kann das Schultergelenk am leichtesten auskugeln. Oft reicht bereits ein kräftiger Druck gen Boden aus, um den Gelenkkopf aus der Pfanne zu hebeln. Eben hier liegt die Schwachstelle unseres Schultergelenks.
Häufig ist eine unglückliche Bewegung die Ursache für das Auskugeln bzw. Ausrenken der Schulter, meist sorgt jedoch eine von außen einwirkende Gewalt – wie etwa ein Sturz oder Unfall – für eine Schulterluxation. Doch auch individuelle anatomische Besonderheiten des Gelenks sowie des Kapsel-Bandapparates oder eine muskuläre Schwäche können eine Luxation begünstigen.
Sobald der Kontakt zwischen Gelenkkopf und Gelenkpfanne vollkommen verloren geht, sprechen Experten von einer vollständigen Luxation. Gerät der Kontakt nur teilweise abhanden, spricht man von einer partiellen (teilweisen) Luxation. Diese Unterscheidung ist für den weiteren Behandlungsverlauf bedeutsam.
Warum kann eine ausgekugelte Schulter problematisch sein?
Eine geschulte Person kann eine ausgekugelte oder ausgerenkte Schulter mit einem Handgriff schnell wieder einrenken – zumindest kennen wir es so aus dem Fernsehen oder dem Kino. In der Realität ist das Ganze leider komplizierter, denn Begleitverletzungen können die Heilungsprozedur erheblich erschweren.
So kann eine heftige Gewalteinwirkung auf die Schulter beispielsweise dazu führen, dass ein Teil der knöchernen Gelenkpfanne am Schulterblatt abbricht, wenn der Oberarmkopf aus dem Gelenk gestoßen wird. Eine solche knöcherne Absprengung muss meist chirurgisch versorgt werden, um die Gelenkpfanne wiederherzustellen.
Auch der Oberarmkopf kann durch Gewalteinwirkungen einbrechen. Eine Röntgenuntersuchung ist in einem solchen Fall unverzichtbar, um abzuklären, ob es zu einer knöchernen Mitbeteiligung gekommen ist. Sollte sich eben dieser Fall bestätigen, kann die Schulter durch einen operativen Eingriff, bei dem Drähte und Schrauben die Gelenkpfanne am Schulterblatt oder den Gelenkkopf am Oberarmknochen fixieren, rekonstruiert werden. Derartige Eingriffe – die Wiederherstellung des möglichst „wasserdichten“ Aufeinanderpassens von Gelenkkopf und Gelenkpfanne – sind sehr wichtig, bildet sich nämlich an dieser Stelle eine Stufe auf einer der Gelenkflächen, kann sie im Laufe der Jahre durch mechanische Reibung zur Beschädigung oder Zerstörung des Gelenks führen (Arthrose). Bei besagten Begleitfrakturenkommt es somit zuerst darauf an, die Gelenkflächen möglichst optimal wiederherzustellen. Auch Weichteilverletzungen der Bänder, Gelenkkapsel oder Muskeln müssen erst einmal ausheilen. Dazu muss das Schultergelenk meist für eine Weile möglichst vollständig ruhiggestellt werden.
Ein anderes Problem entsteht durch den anatomischen Aufbau des Gelenks: An der Unterseite besitzt das Schultergelenk – also die Verbindung zwischen dem Oberarmknochen und dem Schulterblatt – eine bindegewebige Aussackung (Recessus axillaris). Diese ist praktisch eine Dehnfalte, die es uns ermöglicht, den Arm über den Kopf zu heben. Wenn das Schultergelenk über längere Zeit ruhiggestellt werden soll – zum Beispiel weil eine knöcherne Aussprengung ausheilen muss –, kann diese Falte schrumpfen, verkleben und so die Bewegungsfreiheit erneut und im schlimmsten Falle sogar dauerhaft einschränken. Dennoch sollte man dieses geringe Risiko in Kauf nehmen, damit der Knochenbruch optimal ausheilen kann. Im Anschluss ist eine physiotherapeutische Nachbehandlung empfehlenswert, um denRecessus zu befreien und letztendlich das volle Bewegungsausmaß der Schulter wieder herzustellen. Zwar kann eine solche Behandlung einige Wochen in Anspruch nehmen, dennoch sind die Ergebnisse zufriedenstellend.
Muskelrelaxantien – wenn Entspannung wahre Wunder bewirkt
Wenn es weder beim Auskugeln noch beim ärztlichen Wiedereinrenken der Schulter zu Absprengungen an der Gelenkpfanne oder Einbrüchen des Gelenkkopfes kommt, ist der Fall deutlich einfacher. Dennoch solltest du das Einrenken ausschließlich fachkundig geschulten Ärzten überlassen.
Iatrogene (durch das ärztliche Eingreifen verursachte) Schäden lassen sich minimieren, indem Patienten vor dem Einrenken muskelentspannende Mittel (Muskelrelaxantien) verabreicht werden. Durch die Entspannung der Muskulatur in der Umgebung des Schultergelenks kann der Oberarmkopf in eine Position gezogen werden, in der er beim Einrenken nicht mehr gegen die Pfanne stößt. So vermeidet man Schäden an den knöchernen Strukturen und hat es bei der Nachbehandlung vorrangig mit Weichteilverletzungen zu tun, die durch den Unfall selbst entstanden sind (z. B. Muskelzerrungen oder Bänderdehnungen). Diese ziehen meist keinen chirurgischen Eingriff nach sich. Hier kann eine sogenannte konservativ-frühfunktionelle Behandlung (Behandlung ohne Operation) ansetzen.
Wie sieht die Therapie bei einer ausgekugelten Schulter aus?
In der Ruhe liegt die Kraft: Ob eine Operation notwendig ist oder nicht, in der Akutphase nach der Verletzung ist erst einmal eine Ruhigstellung nötig, bei der das Schultergelenk immobilisiert wird. Danach kommt es vor allem auf drei Dinge an:
- Zuerst ist die Muskelmanschette, die das Schultergelenk umgibt, so zu trainieren, dass sie das Gelenk sicher führt und es zu keiner neuen Luxation kommt.
- Bewegungen, die zu einer erneuten Luxation führen können, sind zu vermeiden.
- Später ist die Beweglichkeit des Schultergelenks zu erhalten oder wiederherzustellen.
Grundlegende Regel der Behandlung ist: Erst stabilisieren, dann mobilisieren! Erweitere den eingeschränkten Bewegungsgrad am besten erst dann, wenn das Schultergelenk wieder ausreichend regeneriert ist, um einer erneuten Luxation entgegenzuwirken.
Weitere Behandlungsmaßnahmen zielen darauf ab, Schmerz und Schwellungen zu reduzieren (z.B. Salbenverbände, Kälte- oder Elektrotherapie). Zur Ruhigstellung und zur Ausheilung des Kapsel-Bandapparates werden in der Regel auch Schienen oder tragbare Kissen zur Abspreizung des Armes (Abduktionskissen) verordnet, die den Arm in einer möglichst günstigen Stellung für die Nachbehandlung halten. Oft kommen auch Kälteanwendungen (Cool Packs, Crushed Eis) zur Minderung von Schmerzen, Schwellungen und Entzündungen zur Anwendung. Und auch Möglichkeiten der Prävention sind empfehlenswert: In einer physiotherapeutischen, auf den Patienten abgestimmten Behandlung lernen die Betroffenen, welche Bewegungen sie zunächst vermeiden sollten und mit welchen Intensitäten sie welche Muskelgruppen trainieren können, um das Risiko einer erneuten Luxation zu vermeiden und das Schultergelenk zu stabilisieren.
Ruhigstellung und Nachbehandlung: Das A und O bei Schulterluxation
Für eine erfolgreiche Nachbehandlung sind vor allem die ersten Schritte nach der Verletzung oder Operation entscheidend. Stabilorthesen wie die Bauerfeind OmoLoc Schulterorthese sorgen in der Ruhigstellungsphase für eine Fixierung des Schultergelenks in einer optimalen Stellung, die Schmerzen reduziert und unerwünschte Bewegungen im Schultergelenk wirkungsvoll unterbindet. Die leichte, luftig konstruierte Orthese behindert die Körperpflege nicht und kann problemlos auch nachts getragen werden. Individuell einstellbare Schlaufen und das hautfreundliche Material sorgen für einen hohen Tragekomfort und eine einfache Handhabung. Durch die sichere Fixierung, die ein Abklingen des Schmerzes unterstützt, können Weichteilverletzungen oder knöcherne Läsionen in Ruhe ausheilen und optimale Voraussetzungen für eine aussichtsreiche Nachbehandlung geschaffen werden.
Sollte dich der Schmerz in der Schulter also einmal überraschen, bewahre unbedingt Ruhe, suche einen Experten auf und unterstütze die Heilung durch professionelle Hilfsmittel! Eine ausgekugelte Schulter ist zwar ärgerlich und äußerst schmerzhaft, dank der richtigen Herangehensweise schaffst du jedoch beste Voraussetzungen für eine baldige Heilung und kannst mit großer Wahrscheinlich schon bald wieder schmerzfrei aktiv sein.